13.08.2008

Nach einem sehr leckeren Frühstück (Müsli mit verschiedenen Nüssen und frischen Früchten), brechen wir zu unserer ersten Tour durch New York City auf. Unsere erste Station soll das Hausdach sein, damit Jörg Fotos machen kann. Wir haben Glück und das Treppenhaus führt bis aufs Dach und die oberste Tür steht offen, offensichtlich wird hier gerade etwas repariert. So sparen wir uns den schwindelerregenden, nicht ganz legalen Aufstieg über die außen führende Feuertreppe. Wir bewundern nun die Blicke in die Straßenschluchten, vor allem auf die Amsterdam Avenue haben wir einen guten Blick. Die gegenüberliegende Kirche an der Straßenecke ist ein schönes Fotomotiv.

Nach diesem Ausblick zieht es uns in den Central Park, den wir in wenigen Minuten erreicht haben. Wir wollen ihn bis Midtown durchqueren - dabei werden uns die ungeheuren Ausmaße dieses Parks bewußt: ca. 840 Meter breit und 4,1 Kilometer lang, er erstreckt sich zwischen der 59. und 110. Straße in Nord-Süd-Ausdehnung und von der 5. bis 8. Avenue von Ost nach West, hat insgesamt 3,4 km² und bedekct somit etwa 5% der Fläche von Manhattans. Nicht umsonst wird er als die Grüne Lunge New Yorks bezeichnet.

Zwar sind im Park viele Menschen, dennoch verläuft sich die Menge. Es ist faszinierend, den Leuten bei den unterschiedlichsten Beschäftigungen zuzusehen. Man hat den Eindruck, eine Privatsphäre existiere nicht. Dinge, die man eigentlich zu Hause macht, werden kurzerhand in den Park verlegt. So sitzen die Menschen auf Barhockern zum Lesen, sammeln Kräuter, sehen fern auf portablen TVs, treiben die skurillsten Sportarten oder schlafen einfach. Wir sehen viele Kinder, die von ihren Nannys ausgeführt werden; lustig sind dabei die Hautfarbenkombinationen, denn die Nannys sind größtenteils schwarz und chauffieren käseweiße Kinder herum. Begegnen sich zwei Kinderwagen und müssen beispielsweise an einer Ampel anhalten, beginnen die Nannys sofort einen Plausch - die Kinder machen es ebenso, so werden Süßigkeiten ausgetauscht, man lächelt sich an oder mustert sich von oben bis unten, was der andere hat, was man selber gerne möchte. Ein ganz besonderes Extrem in Manhattan sind die Hundeboys (oder -girls), die zum Teil mit zehn Hunden an mehreren Leinen durch die Straßen ziehen. Hier im Central Park begegnen wir eher kleineren Gruppen mit drei oder vier Hunden. Ein Fitnesstrainer mit Rastazöpfen jagt seine betagte Kundschaft vor sich her, diese machen halsbrecherische Verrenkungen, während er "One, two, three - and again Ladies ..." ruft und sein Geld zählt. Andere bringen ihren Leuten Yoga bei, während sie am Handy telefonieren. Immer und überall sein und zugleich so viele Dinge wie möglich tun, das scheint hier Devise zu sein. Und mittendrin ist immer irgendwo ein Streifenhörnchen, ein Squirrel, entweder braun, grau oder ganz schwarz. Die Tiere sind recht zutraulich und als Fotograf hat man sich schnell satt geschossen an den dankbaren Motiven. Überhaupt ist die Tierwelt, allen voran die Vögel, sehr vielfältig. Es gibt bei der New Yorker Buchhandlung Barnes & Nobles sogar eigene Tier- und spezielle Vogelführer nur für den Central Park.

Um den Park gründlich zu erkunden, benötigt man mit Sicherheit Tage. Uns zieht es aber Richtung Grand Army Plaza. Wir kommen am Turtle Pond vorbei, in dem es in der Tat zahlreiche Schildkröten gibt, die vor dem Belvedere Castle eine schöne Kulisse haben. Zahlreiche Statuen und Büsten säumen unseren Weg, ohne dass wir die meisten der Berühmtheiten kennen. Wir machen auch einen kurzen Abstecher zum Conservatory Water, auf dem Hobbykapitäne ihre ferngesteuerten Modellboote fahren lassen. Uns fällt auf, dass der Central Park keineswegs eine plane Ebene ist, sondern durchaus beachtliche Höhen bietet. So gibt es rundum The Lake richtige Wanderwege, die so hoch führen, dass man eine gute Rundumsicht hat. Manhattan, dessen Name von dem indianischen Wort mana-hatta kommt, das so viel bedeutet wie "hügeliges Land", ist auf massiven Felsformationen errichtet. Diese Felsen treten im Central Park an vielen Stellen zum Vorschein, aber auch wenn man aufmerksam durch die Straßen von Uptown schlendert sieht man auch in Hinterhöfen hier und da mal große Felsblöcke, die aus dem Boden ragen. Unser Blick wechselt von der Upper East zur Upper West Side, letztere ist zur Zeit das beliebte Viertel für die Schönen und Reichen, wobei gemunkelt wird, dass jetzt wieder die Upper East Side und vor allem der Süden von Brooklyn (Midwood) im Kommen seien. Das lange Spazieren macht durstig und man kann sich alle paar Meter an einem Eiswagen Eis und Getränke kaufen - das die hier etwas teurer sind, kann man sich jedoch denken. Auch die New Yorker Polizei (NYPD) ist hier natürlich präsent. Obwohl es im Central Park auch richtige Straßen gibt (die aber zu Gunsten der Fußgänger und Radfahrer selten für den Autoverkehr geöffnet sind), begegnen einem die Polizisten hier entweder hoch zu Roß oder in ihren kleinen dreirädrigen Autos, den sogenannten Three Wheel Scooter. Wir ruhen uns aus und setzen uns in der Nähe einiger Baseballfelder auf eine Parkbank. Uns fallen sofort die kleinen Messingschildchen auf, die auf jeder Banklehne angebracht ist. Sie beinhalten unterschiedlichste Sprüche, wie "Paul Singer - Wisdom, Humor, Charity - Happy 60th Birthday - all my Love, Bonnie - 8/22/04" oder "Welcome to the World - Samuel Walsh Singer - November 29, 2004", aber auch einfach nur "Sit. Relax. Take a deep Breath - Enjoy the Day - Linda C. Kobetitsch". Hier haben Menschen eine Patenschaft für eine Parkbank übernommen und teilen gleichzeitig mit der Welt die Freude über einen Geburtstag, eine Geburt oder einfach über das Sein. Uns gefallen die Schilder sehr und wir schmunzeln über die Sprüche. Durch ein schmiedeeisernes Tor betreten wir den lebhaften Grand Army Plaza, um den herum schon die großen Wolkenkratzer von Midtown aufragen: Wir bewundern das Sherry Netherland Hotel, das Estee Lauder Building mit dem berühmten Apple Store davor, das Grand Army Plaza Hotel und das markante Solow Building. Hier am Grand Army Plaza kann man Kutschfahrten buchen, die einen durch den Central Park kutschieren - wer es mag, muss sich auf gesalzene Preise einstellen.

Wir gehen nun die berühmte 5th Avenue Richtung Süden und staunen über die vielen Edelboutiquen und Designerläden - aber uns beschleicht das Gefühl, dass dennoch mehr Touris mit Kakihosen und Kamera unterwegs sind, als New Yorker Styleikonen mit zehn Einkaufstüten am Arm. Vereinzelt kann man sie aber sehen, gut aussehende, schlanke Damen mit Highheels, Designerhandy am Ohr, drei Einkaufstüten mit Label nach außen (!) von Lauder, Prada oder Gucci. Man erkennt die Einheimischen übrigens am besten daran, dass sie den Blickkontakt und Körperkontakt meiden. Anrempeln ist hier vollkommen tabu, eher sagt man "excuse me", wenn einem einer selbst auf die Füße tritt. Hinzu kommt eine permanente Eile, mit der die New Yorker durch die Straßen düsen, der typische Touri wiederum ist daran zu erkennen, dass er abrupt stehen bleibt und entweder in seinen Stadtplan schaut, nach oben sieht oder fotografiert - ok, wir haben verstanden und passen uns ein wenig an. Wir gehen zuerst in den Trump Tower, dessen Lobby und Innenhof aus purem Gold errichtet worden scheint; uns ist das etwas zu viel Geglitzer. Auf einer Seitenterrasse, die wir ein paar Stockwerke höher finden, kann man aber das rege Treiben auf der 5th Avenue bewundern - komischerweise kommen hierher kaum Leute, so genießen wir diese Riesenterrasse fast alleine. Wir trinken noch den obligatorischen Kaffee bei Starbucks, deren Filialen an allen Ecken sind. Wer etwas kauft, erhält immer einen Bonus. So bekommt man etwas gratis, wenn man in den nächsten zwei Stunden erneut etwas bei Starbucks verzehrt - reizt uns jedoch nicht sonderlich. Wir schließen uns nach dieser Pause wieder dem Strom auf der 5th Avenue an und biegen an der St. Patricks Cathedral Richtung 6th Avenue ab, die auch Avenue of the Americas genannt wird. Dort kommen wir an der berühmten Radio City Hall vorbei und gehen in das Rockefeller Center - wir wollen ganz hoch hinaus zum Top of the Rock, wie die Aussichtsplattform des RC heißt. In der edlen aber niedrigen Lobby sehen wir einen Schuputzerladen, wo sich Geschäftsleute die Schuhe putzen lassen. Dabei lesen sie meist Zeitung oder ein Buch. Uns fällt auf, dass die US-Amerikaner Uniformen lieben. Jeder zeigt damit, dass er eine Funktion hat, dass er für etwas ganz Bestimmtes verantwortlich ist, zumindest gelingt damit die Orientierung sehr gut, denn man weiß recht schnell, wen man für was ansprechen kann. In der Regel wird einem dann auch sehr höflich und hilfsbereit geholfen.

Wir gehen hinein und kaufen uns zwei Tickets für jeweils $ 19,00. Ein Preis, der sich in jedem Fall lohnt. Wir kommen ohne größere Wartezeiten in den Vorraum zum Hauptfahrstuhl, wo einem Filme und anderes über die Geschichte des Rockefeller Center, das aus 19 Einzelgebäuden besteht, gezeigt werden. Die Wartezeit ist nicht sehr lang und wir rauschen kurz darauf zum 67. Stockwerk hinauf. Der Lift ist mit einer tollen Lichtinstallation illuminiert, so wird während der kurzen Fahrt ein wahres multimediales Feuerwerk an die Fahrstuhldecke gezaubert. Auf den zwei Plattformen haben wir eine grandiose Sicht auf den Big Apple. Das Top of the Rock hat entscheidende Vorteile gegenüber der Aussichtsplattform des Empire State Building (das wir 2009 besucht haben und den Eindruck nun bestätigen können): Es ist nahezu gleich hoch, man sieht die tolle Skyline mit dem Empire State Building, dass ja sonst fehlen würde; man hat kein Glas oder Zäune vor sich, die den Blick verstellen; man hat mehr Platz, weil die Terrassen größer sind und es weniger Menschen gibt; man ist näher am Central Park und hat eine tolle Aussicht auf diesen und den Norden Manhattans; alles wirkt moderner und die Leute irgendwie entspannter, die Aussichtsplattformen auf dem RC und dem Empire State kosten in etwa das gleiche - aber Top of the Rock rockt!

Nach diesem tollen Eindruck, genießen wir, wieder heil unten angekommen, noch den kleinen Platz vor dem RC. Hier stehen die berühmte Statue des Prometheus und die Fahnenstangen mit den Flaggen der Nationen. Viele Touristen sind hier unterwegs - es ist geradezu ein Menschenmagnet. Uns fallen auch kleinere Details auf, wie die vielen Hydrantenköpfe, die aus dem Gebäuden ragen, an denen die Feuerwehr bei einem Brand das Wasser zapfen kann. Wir schlendern weiter zum Time Square und bewundern, die schon bei Tage beeindruckenden Reklametafeln. Immer mehr Häuserfassaden sind mit riesigen Plakatwänden oder Multimediapanels zugehängt worden. Mitte der 80er Jahre wurde begonnen, aus dem ehemals verlotterten Platz wieder ein glitzernden Publikumsliebling zu machen - heutzutage sind hier unvorstellbare Menschenmengen unterwegs. Noch 1976 erklärte die New Yorker Polizei, das Gebiet um den Times Square sei eine der gefährlichsten Gegenden der Stadt. Inzwischen ist der Broadway Richtung 42nd Street für den Verkehr gesperrt und zu Manhattans erster "Fußgängerzone" erklärt worden. Die New Yorker sind geteilter Meinung darüber: Während die Pendler es als absoluten Wahnsinn bezeichnen und den Verkehrsinfarkt der Stadt heraufbeschwören, haben die pedestrians (Fußgänger) die Zone bereits zum Park erklärt und bevölkern diesen auf den zahllosen Stühlen, die die Stadtverwaltung bereit gestellt hat. Wir finden die Idee klasse, aber wir sind ja auch Deutsche und Fußgängerzonen gewöhnt.

Wir kommen am Madison Square Garden vorbei, einem Stadion mitten in der Stadt wo täglich (!) eine Veranstaltung stattfindet. Das Hauptpostamt liegt direkt gegenüber und ist einen Blick ins Innere wert, auch wenn eine Sanierung nicht schaden könnte, ist es ein imposanter Bau im Stil des Neoklassizismus. Jörg zieht es zu dem größten Fotogeschäft der Welt, B & H Photo an der Ecke 33rd Street / Ninth Avenue. B&H haben nicht nur eine ungeheuer große Auswahl an allem, was mit Fotografie zu tun hat, sondern generell alle möglichen elektronischen Sachen. Hier könnte man Tage verbringen ... Vor dem Store kann man die 33rd Straße zurückschauen und hat einen imposanten Blick auf das Empire State Building, das unser nächstes Ziel ist. Wenn man diesem zugleich imposanten wie ästhetisch schönen Gebäude näher kommt, werden einem die Dimensionen dieses Bauwerks erst richtig bewußt. Nicht selten versucht man sich die Zeit der Zwanziger und Dreißiger Jahre vorzustellen, wie es wohl damals hier gewesen sein muss, als die ersten Pioniere diese Wolkenkratzer bauten? Als der erste Wolkenkratzer wird übrigens das Flat Iron Building mit seinen zwanzig Stockwerken gehandelt. Ein Koloss aus einem Stahlgerüst in Form eines gewaltigen Schiffsbugs - oder eben eines Bügeleisens -, der sich zwischen Broadway und 5th Avenue schiebt. Der Ruhm als höchstes Gebäude Manhattans währte allerdings nicht lange, denn es wurde schnell vom Woolworth Building abgelöst, darauf ging es Schlag auf Schlag.

Immer wieder werden uns aber auch die Kehrseiten des Lebens in einer US-amerikansichen Großstadt vor Augen geführt: Uns begegnen skurille Menschen in dicken Mänteln oder mit riesigen Plastiktüten voll mit Flaschen und Dosen. Die sogenannten Bag Ladies, wie sie genannt werden, sind obdachlos und sammeln Pfandflaschen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Manche dieser Menschen sind in einem katastrophalen Zustand. Die New Yorker geben aber in der Regel immer wieder großzügig Almosen - im Gegensatz zu den Touristen. Unser nächstes Ziel an diesem ereignisreichen Tag ist eine Fahrt mit der Staten Island Ferry. Die Überfahrt ist kostenfrei und somit eine tolle Alternative zu den zum Teil sehr teueren Schiffsrundfahrten. Man sieht von der Fährroute ebenso die Skyline und kommt recht nah an der Freiheitsstatue vorbei. Übrigens kann man seit Sommer 2009 nun endlich wieder die Krone der Lady besteigen. Diese war im Zuge der Sicherheitsvorkehrungen nach dem 11. September 2001 für die Öffentlichkeit gesperrt worden. Wir haben uns bewußt für die 19:30 Uhr Überfahrt entschieden, damit wir in der Dämmerung Richtung Staten Island fahren und in der blauen Stunde zur Südspitze Manhattans zurück fahren. Wir haben großes Glück, die Sonne legt sich direkt hinter der Statue of Liberty zum Schlafen. Es ist eine tolle Überfahrt. In Staten Island nehmen wir gleich die nächste Fähre zurück und genießen den grandiosen Blick auf die Skyline von Manhattan bei Nacht. Die Passagiere sind zu gleichen Teilen Einheimische wie Touristen.

Nun bei Dunkelheit wollen wir nochmals über den Time Square gehen, der ja erst in der Nacht so richtig sehenswert ist. Es kommt uns so vor, dass nun noch mehr Menschen unterwegs sind - uns ist das chon zu viel Trubel. Wir lassen dieses Treiben dennoch auf uns wirken und machen ein paar Fotos. Wir nehmen unser Abendessen bei McDonalds :-) und gehen nochmals zum Rockefeller Center. Da uns der Ausblick am Tage so gut gefiel, wollen wir erneut in der Nacht zum Top of the Rock hochfahren. Es sind ungefähr gleich viele Besucher und wir sehen ganz New York im glitzernden Lichtermeer. Leider sind auf den Aussichtsplattformen keine Stative (tripods) erlaubt, daher fällt es schwer bei annehmbarer ISO-Zahl vernünftige, heißt unverwackelte Aufnahmen zu schießen. Weniger Sicherheitsgründe spielen für dieses Verbot eine Rolle, als das Geschäft mit den käuflich zu erwerbenden Panoramaufnahmen, die man im Souvenirshop kaufen kann. Also muss ein Stein der Brüstung dafür herhalten. Als ein uniformierter Top of the Rocker das sieht, sagt er, naja ein kleines Stativ könne ich schon benutzen, sehe ja keiner. Auf so viel Freundlichkeit waren wir gar nicht gefasst, also wurde das kleine Pocketstativ ausgepackt, das aber die schwere Kamera nicht recht halten wollte, das große Stativ sollte dann doch nicht zum Einsatz kommen ... Naja, gehen wir halt das nächste Mal nochmal hoch und machen mit unserer neuen EOS 5d Mark II Aufnahmen bei ISO 3200.

Weit nach Mitternacht kommen wir an diesem Tag nach Hause und sind völlig eingenommen von den vielen Eindrücken des Tages. Wir fallen wie Steine ins Bett und sind total verliebt in New York ...

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