14.08.2008

Heute stehen wir nicht ganz so früh auf, genießen unser Früchtemüsli und lesen die New York Times. Wir gehen zuerst ins Stadtbüro von Jörgs Tante und Onkel gehen. Dort angekommen werden wir den Mitarbeitern vorgestellt und warten, bis das morgendliche Briefing fertig ist. Dann erklärt uns Roger noch einiges zu seiner kleinen Designerfirma.

Danach machen wir uns auf zur U-Bahn-Station und fahren mit der Linie 1 bis South Ferry. Von dort gehen wir am East River entlang, bis wir zum Downtown Heliport kommen, denn für 11:30 Uhr haben wir einen Hubschrauberrundflug gebucht. Die Buchung haben wir bereits aus Deutschland gemacht, am Tag zuvor haben wir jedoch den Abflugtermin noch nach vorne ziehen lassen, da für den Nachmittag Gewitter vorhergesagt werden. Obwohl schon einige Leute warten, werden wir gleich durchgewunken. Die Rucksäcke müssen wir am Tresen lassen und werden kurz abgetastet. Auf den Helipods stehen bereits drei Hubschrauber mit kreisenden Rotoren. Unser Hubschrauber ist gerade gelandet, wir werden von einem Sicherheitsmenschen auf das kleine Flugfeld geleitet. Wir fliegen mit einer Maschine von Helicopter Flight Services (heliny.com). Jörg darf vorne neben dem Piloten sitzen, damit er Fotos machen kann. Hinten sitzt neben Réka noch ein italienisches Pärchen. Wir haben einen 15-Minuten-Rundflug gebucht, die Route soll an der Südspitze von Manhattan entlang des Hudson führen, dann quer über Midtown und den Central Park, im Norden über Harlem und die Bronx und über den Hudson River wieder zurück. Am Ende waren wir aber 25 Minuten in der Luft und der Pilot hat mit uns eine ausgiebige Extrarunde über Liberty Island und Governors Island geflogen. Wir bekommen tolle Aussichten auf diese überwältigende Stadt. Man kann deutlich erkennen, dass sich die richtig hohen Gebäude in Mid- und Downtown tummeln, der Central Park ist auch aus der Vogelperspektive riesig. Besonders schön war der Flug über den Norden entlang des Harlem Rivers; wir sehen das berühmte Yankee Stadium, dass 2008 von dem neuen Stadion direkt daneben abgelöst wurde; es ist das Heimatstadion der New York Yankees. Der Hubscharuberpilot ist zuerst völlig entrüstet, als er bemerkt, dass Jörg nicht wie wild fotografiert: "Won't you take any pic?" - sofort wird mit der Kamera im Serienbildmodus draufgehalten, sofort erhellt sich wieder das Gesicht unseres Piloten und er grinst amüsiert! Wir bewundern noch die zahlreichen Hebe- und Schwenkbrücken über den Harlem River, als er zur George Washington Bridge abdreht, um dann wieder entlang des Hudson die grandiose Skyline von Manhattan abzufliegen. Zahlreiche andere Hubschrauber und Flächenflugzeuge sind unterwegs, über der Stadt wird nach Sicht geflogen, den sogenannten Visual Flight Rules (VFR), deren Verletzung Anfang August 2009 neun Flugpassagieren das Leben kostete, als ein Hubschrauber mit einer Piper zusammenstieß. Von uns halten zum Glück alle anderen Fluggeräte einen gehörigen Abstand. Dann drehen wir - wie gesagt - noch eine ausgiebige Schleife über die Upper Bay, sehen Liberty Island und Governors Island und streifen im Süden Staten Island, bis es wieder zurück geht. Über der Brooklyn Bridge geht der Hubschrauber dann in den Sinkflug und wir landen wieder sicher und voller neuer Eindrücke an diesem Vormittag auf dem Downtown Heliport. Ein solcher Hubschrauberflug ist zwar kein ganz billiges Vergnügen, aber man sollte ihn sich dennoch leisten. Die Stadt aus der Luft zu betrachten ist nochmal eine ganz andere Erfahrung und insbesondere für ambitionierte Fotografen ein absoluter Höhepunkt.

Wir gehen zu Fuß nach Downtown und kommen auf die Wall Street. Das Finanzviertel ist besonders gesichert. Überall sieht man in den Boden gelassene Stahlwände, die nach oben geklappt den Weg versperren. An jeder dieser Sperre ist ein Wachhäuschen mit Wachpersonal; dahinter muss man dann noch einen Zickzackkurs durch Betonpfeiler machen, um in den Financial District einfahren zu können. Da wir aber zu Fuß unterwegs sind, müssen wir keine nennenswerten Hindernisse überwältigen. Wir kommen zur New Yorker Börse, der NYSE (New York Stock Exchange) mit ihrer prächtigen Neoklassizismus-Fassade. Downtown ist im Vergleich zum Rest von Manhattan relativ eng bebaut. Das Straßennetz stammt noch aus den ersten Zeiten der Statdgründung und wirkt vor allem durch die hohen Häuser sehr eng, aber auch irgendwie sehr gemütlich. Überhaupt empfinden wir hier unten eine wieder andere Stimmung als in den anderen Stadtteilen - wir sollen das später noch deutlich in Greenwich Village spüren.

Wir gehen die Wall Street bis zum Ende und stoßen auf die Trinity Church, die 1846 in damals noch recht beschaulicher Umgebung entstanden ist. Sie war damals das höchste Gebäude von New York City. Sie ist inzwischen das vierte Gotteshaus an dieser Stelle, die erste Kirche stand hier bereits 1698. Wir genießen noch einen kurzen Rundgang über den kleinen Friedhof rund um die Kirche und gehen dann weiter Richtung Liberty Plaza. So langsam knurrt uns der Magen und die dampfenden und nach allen Wohlgerüchen Bessarabiens riechenden Imbissstände tun ihren Teil dazu. Wir entdecken den Stand von Sam's Falafel, der bei den Büroangestellten in der Mittagspause einen wahren Ansturm auslöst. Die Schlange davor reicht knapp über den gesamten Platz, während an den anderen Ständen bei Weitem nicht so viele Menschen anstehen. Natürlich reihen wir uns auch in diese Schlange und sind gespannt auf Sam's Falafel, die in der Tat ganz hervorragend schmeckt. Wir ruhen uns noch etwas auf den Steinbänken aus und beobachten das Vielvölkergemisch das hier versammelt ist: Von allen Kontinenten und Winkeln der Erde scheinen hier Menschen zu sitzen, als sei es das selbstverständlichste der Welt, dass sie sich gerade hier zusammen finden. Das Stimmengewirr spiegelt auch die Vielfalt der Ethnien des ganzen Globus wider. Keine hundert Meter sehen wir die riesigen Baukräne der Baustelle von Ground Zero - der Platz heißt zur Zeit offiziell World Trade Center Site. Wir entschließen uns, nur einen kurzen Blick darauf zu werfen und die ausgiebige Besichtigung auf einen späteren Besuch aufzuschieben - uns ist gerade nicht danach, die schrecklichen Erinnerungen aufleben zu lassen. Wir sollten im Jahre 2009 einen sehr eindrücklichen Besuch des National September 11 Memorial & Museum erleben. So gehen wir also weiter Richtung City Hall Park. Dort bewundern wir das architektonisch sehr interessante Woolworth Building, die City Hall und das Municipal Building, die alle aus unterschiedlichen Epochen stammen. Das Woolworth Building ist ein typischer Neogotik-Bau, während das Municipal Building der ausgehenden Beaux-Arts zuzurechnen ist. Die City Hall ist noch vom Anfang des 19. Jahrhunderts und seine äußere Architektur lehnt sich an den französischen Renaissancestil an. Auch hier genießen wir noch einige Minuten im Park und schlendern herum. Auf unserem Weg zur Brooklyn Bridge bleiben wir bei einigen Passanten stehen, die sich staunend an den schmiedeeisernen Zaun des Rathauses lehnen und eine Frau erklärt uns, dass wir dort hinten den Bürgermeister von New York City sehen könnten. So sehr wir uns auch anstrengen, können wir unter den vielen im Anzug herumstehenden Männern nur schwer den Mayor Michael Bloomberg erkennen. Aber in seine Richtung geblickt haben wir immerhin.

Unser Weg führt uns nun zu einem Ort, den wir beide sehr stark mit New York in Verbindung bringen und uns ganz besonders darauf freuen - es ist die Brooklyn Bridge. Zu Hause haben wir uns eine fünfteilige DVD-Serie über New York angesehen und vor allem der Bau der Brooklyn Bridge, der viele Opfer gefordert hatte, ist uns in lebhafter Erinnerung geblieben. Auf dem Weg dorthin, aber auch schon früher, fallen uns die vielen Toyota Prius auf, allesamt von der Stadtverwaltung oder einer Behörde. Überhaupt sieht man in New York erstaunlich viele Hybridfahrzeuge; selbst die DHL- und UPS-Trucks sind mit einem Hybrid-Drive-Schriftzug versehen. Wir stellen später fest, dass die gesamte PKW-Flotte der New Yorker Stadtverwaltung aus Hybridfahrzeugen besteht - sehr fortschrittlich. Rechter Hand am Beginn der Auffahrt zur Brooklyn Bridge befindet sich die Pace University und linker Hand der streng geschützte Bereich rund um die Police Plaza, in der öffentlicher Straßenverkehr untersagt ist. Auch hier sehen wir wieder die in den Boden gelassenen Stahlhindernisse und die Wachhäuschen. In diesem Bereich befindet sich das Hauptquartier der New Yorker Polizei (NYPD), die wichtigsten Gerichte und die Stadtverwaltung.

Zurück geht es durch China Town, wo wir unter anderem ein Fahrzeug der New Yorker Feuerwehr (FDNY) sehen, das eine Erinnerungstafel an die Opfer dieser Einheit am 11. September 2001 trägt. China Town lassen wir auch eher links liegen und gehen direkt nach Little Italy, wo wir etwas gemütlicher weiterlaufen. Little Italy wird von der immer größer werdenden chinesischen Minderheit in Manhattan verdrängt. Viele Italiener sind bereits nach Brooklyn gegangen. Wir steigen in die U-Bahn und fahren mit der Linie R bis zur 23rd Street - unser nächstes Ziel ist der Madison Square Park mit dem berühmten Flat Iron Building. Inzwischen ist es schon späterer Nachmittag und wir sind schon recht erschöpft. Das Flat Iron Building ist schon imposant, wir setzen uns auf einen großen Granitblock, der Teil einer Ruhezone zwischen Broadway und 5th Avenue, genau gegenüber des Flat Iron Building ist. Wir sitzen einfach nur da, beobachten die Menschen, schauen uns die Gebäude an und machen ein paar Fotos, als eine Reporterin auf uns zukommt und fragt, ob sie uns kurz interviewen dürfte. Wir sagen gleich, dass wir nur Touristen seien, dass mache gar nichts. Sie stellt sich uns als Sabina Molott vor und erklärt uns, dass diese Ruhezone gerade errichtet werde und sie eine Umfrage macht, wie sie bei den Menschen ankomme. Wir geben ihr gerne Auskunft und sie fragt uns auch nach unseren Adressen, damit sie uns über das Erscheinungsdatum des Interviews informieren könne. Wir freuen uns, angesprochen worden zu sein, gehen aber insgeheim doch davon aus, dass unsere Stimmen wohl kaum in einer New Yorker Zeitung gedruckt werden. Erst viel später in Deutschland erfahren wir, dass wir uns getäuscht hatten. Wer Interesse hat, kann den Artikel hier lesen (es wird der Acrobat Reader zur Anzeige benötigt).

Zum Abschluss unserer Tour geht es noch einmal in Jörgs Lieblingsladen, B&H Photo in der 34th Street. Auf dem Weg dorthin sehen wir sehr viele Polizeiwagen in eine Richtung fahren. An einer Stelle scheinen sich diese zu sammeln. Dort stehen zig Einsatzfahrzeuge und mehrere Gruppen von Polizisten stehen in Reih und Glied und werden instruiert. Wir sollten später von Roger erfahren, dass dies ein sogenannter Swarm ist. Diese werden seit dem 11. September 2001 täglich an den verschiedensten Orten gebildet, um sich kurz darauf wieder aufzulösen. Bei Roger verursacht dies nur Kopfschütteln, denn der Zweck dieser Übung soll vorrangig Abschreckung und Präsenz zeigen; an dessen Effektivität zweifelt er aber: "You know, that is a typical NYC thing ...". Im Jahr 2009 sehen wir Schwärme von über fünfzig Fahrzeugen. Weil das ja noch nicht aufregend genug ist, werden wir auch Zeuge eines Busunfalls, der für die Unfallbeteiligten aber nur einen leichten Blechschaden zur Folge hat; die anderen Verkehrsteilnehmer jedoch werden recht nervös, denn die beiden Busse versperren die Straße auf ganzer Breite. Als wir am Abend nach Hause kommen, sind wir froh, dass wir uns etwas entspannen können. Später gehen wir mit Helga und Roger in ihr Lieblingsrestaurant in Harlem, Dinosaur Barbeque; nach Roger das Barbeque House in Upper Manhattan. Wir genießen den lauen Sommerabend, fahren mit dem Bus nach Harlem und essen sehr gut. Jörgs Cousin ist noch mit dabei, so dass es ein richtig schöner Abend wird, an dem wir erst recht spät im Bett landen.

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